Value Chain Management (VCM) – Kurze Einführung zur Theorie des Modellansatzes
22.10.2019 - Norbert Schenk
Der „Value Chain Management“-Ansatz basiert auf dem theoretischen Modell der sogenannten „Wertekette“ bzw. „Wertschöpfungskette eines Unternehmens“. Nach diesem Modell (entwickelt von Micheal E. Porter), basieren die Prozessabläufe innerhalb eines Unternehmens auf vielfältigen sogenannten „wertschöpfungsbezogenen“ Aktivitäten aus den verschiedenen Organisationsbereichen. Das Modell bzw. Konzept zielt darauf ab, die „Quellen von Wettbewerbsvorteilen“ – also Kosten- oder Differenzierungsvorteile – in Unternehmen „sichtbar“ zu machen. Hierbei unterteilt es die wertschöpfungsbezogenen Aktivitäten in sogenannte „primäre“ und „unterstützende“ Aktivitäten, die unabhängig von der Branche in jedem Unternehmen vorhanden sind.
Dabei befassen sich die primären Aktivitäten mit der physischen Herstellung des Produktes oder der Dienstleistung und der Versorgung des Marktes (bspw. Aktivitäten aus den Bereichen Eingangslogistik, Produktion, Vertrieb & Marketing, Ausgangslogistik, Kundendienst). Die unterstützenden Aktivitäten umfassen hingegen Tätigkeiten, die sich nicht direkt mit der physischen Herstellung des Produktes oder der Dienstleistung und der Versorgung des Marktes befassen (bspw. Aktivitäten aus den Bereichen Unternehmensinfrastruktur, Personalwirtschaft, Technologieentwicklung, Beschaffung).
Betrachtet man die primären Aktivitäten, so kann man feststellen, dass sie sich (tendenziell) am Materialfluss durch ein Unternehmen orientieren. Reiht man die entsprechend betroffenen Bereiche, am Materialfluss orientiert, vertikal nacheinander auf, so erhält man bildlich gesehen eine Kette von wertschöpfungsbezogenen Aktivitäten. Diese Kette kann man als „Wertschöpfungskette der primären Aktivitäten“ bezeichnen. Werden dieser Kette, bildlich gesehen horizontal darüber, noch die unterstützenden Aktivitäten hinzugefügt, so erhält man das Gesamtbild der „kompletten Wertekette“ bzw. „Wertschöpfungskette eines Unternehmens“. Die Optimierung dieser Wertschöpfungskette führt gemäß dem Modellansatz zu Differenzierungs- und Kostenvorteile gegenüber dem Wettbewerb. Deswegen ist beim Aufbau bzw. der Optimierung der Wertschöpfungskette entsprechend grundsätzlich zu hinterfragen, welchen Wert die jeweiligen wertschöpfungsbezogenen Aktivitäten der verschiedenen Organisationsbereiche schaffen und wodurch deren Kosten beeinflusst werden.
Seit Einführung des Modellansatzes, hat es in der betrieblichen Umsetzung immer wieder weitere Varianten gegeben. Einer der bekannteren Vertreter hierzu ist bspw. das „SCOR-Modell“ (Supply Chain Operation Reference Modell), welches vom „Supply Chain Council“ entwickelt wurde. Es soll ein Referenzmodell für eine „effiziente Handhabung einer Wertschöpfungskette“ bereitstellen. Das Ziel hierbei ist, Verschwendung in den verschiedenen Prozessen zu eliminieren, bzw. die Prozesse effizienter zu gestalten, und die operativen Kosten zu reduzieren, um so das Unternehmen profitabler zu machen. Das SCOR-Modell beschreibt die typischen „Kern-Prozessschritte“ Planung, Beschaffung, Fertigung, Distribution und Rücknahme von Produkten. Die zugrunde liegende Prozesshierarchie (bzw. das Prozessmodell) berücksichtigt auf der obersten Ebene zunächst eine grobe Darstellung (der wichtigsten Parameter) der Wertschöpfungskette. Diese Darstellung wird dann über weitere Hierarchiestufen (welche standardisierte Prozesselemente, Detailinformationen und relevante Messgrößen enthalten), nochmals detaillierter beschrieben. Mit den zur Verfügung stehenden standardisierten Prozesselementen können beliebige „Konfigurationen“ einer Wertschöpfungskette dargestellt und beschrieben werden.
Ein wichtiger Aspekt des SCOR-Modells ist die bewusste ganzheitliche „End-to-End“- Betrachtung der Wertschöpfungskette, also vom „Lieferanten (..des Lieferanten)“ über die eigene Organisation bis zum „Kunden (..des Kunden)“. Das SCOR-Modell wird stetig weiterentwickelt, indem Erkenntnisse aus der praktischen Handhabung einfließen. So gibt es beispielsweise Referenzmodelle die hinsichtlich der Integration des Produktentstehungsprozesses, Produktmanagements und Produktlebenszyklus erweitert wurden. Ebenso wurden Komponenten zum Thema Nachhaltigkeit hinzugefügt.
Eine wichtige Voraussetzung für die Umsetzung des VCM-Ansatzes ist, dass eine „Prozessorientierte Organisationsstruktur“ bzw. „Prozessorientiertes Sichtweise“ im Unternehmen vorhanden ist bzw. entwickelt wird. Je nachdem wie die aktuelle Konstellation im jeweiligen Unternehmen ist, bedeutet das unter Umständen entsprechende Anpassungen in der Organisation bzw. in den „Denkprozessen“. Hierbei muss die ggf. traditionelle Sichtweise einer „starren funktionsorientierten Organisation“ entsprechend um eine „agile Prozessorientierte Sichtweise“ erweitert werden (falls diese nicht bereits vorhanden sein sollte). Diese Prozessorientierte Sichtweise wird dann quasi als „zweite Dimension“ der bestehenden Ablauforganisation überlagert. Sie „konzentriert“ sich dabei auf das „Management der strukturübergreifenden Wertschöpfungskette“ und nutzt hierbei Elemente aus dem Prozessmanagement.
Ähnlich wie bei einem Organismus, bei dem die Informationen zwischen den unterschiedlichen Bereichen über ein Nervensystem mit Nervenbahnen und Verbindungsknoten ausgetauscht werden, durchdringt die Prozessorientierte Sichtweise die Organisationsstrukturen und berücksichtigt dabei die Qualität und Quantität der Informationsübermittlung entlang der Prozesse und die Schnittstellen zwischen den Abteilungen (bzw. Entscheidungsknoten). Etwaiges „Silodenken“ in einzelnen Unternehmensbereichen und/oder Abteilungen soll damit aufgebrochen werden. Prozesse und Zuständigkeiten sollen so organisiert werden, dass die Gesamtorganisation (der „Gesamtorganismus“) möglichst optimal funktioniert (d.h. es sind „ganzheitliche Lösungen“ anzustreben anstelle von „suboptimalen Einzellösungen“). Hierzu gehört auch die schnelle und flexible Anpassungsfähigkeit an sich verändernde Rahmenbedingungen. Insbesondere in der heutzutage „schnell lebigen Welt“ ist das eine wichtige Voraussetzung, um das Überleben einer Organisation bzw. eines Unternehmens zu sichern.
Bei Fragen zu den Themen können Sie mich gerne unverbindlich kontaktieren. Auch weitere Anregungen bzw. Erfahrungsaustausche zu den Themen sind gerne willkommen.
Der Titel des nächsten Beitrags lautet:
„VCM – Welchen Beitrag kann VCM leisten?“