Logistik 4.0, Einkauf 4.0, Vertrieb 4.0
03.03.2020 - Norbert Schenk
Logistik 4.0
Ähnlich wie in der herstellenden Industrie mit dem Begriff "Industrie 4.0", wird im Bereich der Logistik der Begriff "Logistik 4.0" verwendet. Er steht für die Vernetzung von Prozessen und Systemen (Cyber-Physische-Systeme - CPS) in der Logistik. Hierbei umfasst die Logistik sowohl den Bereich Intralogistik, also den internen Materialfluss sowie die Lagerung, als auch die Extralogistik mit den Bereichen Transport und Flottenmanagement. Im Zusammenhang mit der „Digital Factory“ bzw. „Digital Supply Chain“ verschmelzen die Bereiche „Industrie 4.0“ und „Logistik 4.0“ miteinander. Für die Zukunft wird angestrebt, dass sich die Logistiksysteme mehr und mehr mit den Produktionssystemen vernetzen.
So wird ein modernes Supply Chain Execution System (SES), bzw. Lagerverwaltungssystem (LVS), das in der Warenwirtschaft einem ERP-System in der Produktion entspricht, enger mit einem MES vernetzt sein, um Daten aus der Feinplanung bzw. Ist-Daten aus der Produktion im Rahmen der Logistikplanung und -ausführung zu übernehmen, bzw. Daten aus dem SES in das MES zu übertragen. Damit erhöht sich die Transparenz im Bereich der Logistik und die Daten können für die Optimierung der Wertschöpfungs- bzw. Lieferkette genutzt werden. Die Prozesse der Logistik und der Produktion können feiner aufeinander abgestimmt werden.
Auch im Zusammenhang mit "Logistik 4.0" haben sich in den letzten Jahren etliche neue Anwendungen auf Basis der "Digitalisierung" (weiter)entwickelt.
Nachfolgend sind einige Beispiel aufgeführt.
Einkauf 4.0
Ähnlich wie in anderen „4.0-Bereichen“, wird unter dem Begriff „Einkauf 4.0“, die verstärkte Anwendung von modernen Methoden und Technologien aus dem Bereich der Digitalisierung im Bereich Einkauf verstanden.
Der Einkauf ist ein wichtiges Bindeglied im Rahmen der digitalen horizontalen Vernetzung der Wertschöpfungs- bzw. Lieferkette. Er hat viele Schnittstellen, einerseits zu externen Partnern (Lieferanten), aber auch zu vielen internen Bereichen wie bspw. Produktionsplanung, Logistik, Produktentwicklung, Vertrieb, Finanzwesen.
Im Einkauf laufen sehr viele unterschiedliche Informationen zusammen, die für eine optimale Gestaltung der Wertschöpfungskette von hoher Bedeutung sind. Auf Grund des hohen Anteils an zugekauften Komponenten und der Auslagerung von Dienstleistungen in modernen Unternehmen, ist die Verantwortung für die Kostenstruktur sowie des Servicegrades (Qualität, Lieferzeit, Produkt-Innovationen) entsprechend gestiegen. In diesem Zusammenhang kann der Einkauf einen wichtigen Wertbeitrag für das Unternehmen leisten, wenn er seine Aufgaben optimal erfüllt.
Im Rahmen der Digitalisierung stehen im Bereich Einkauf mittlerweile etliche digitalen Werkzeuge und Assistenzsysteme zur Verfügung. Ziel hierbei ist es, dem Einkäufer möglichst umfangreich in seiner täglichen (operativen) Arbeit zu unterstützen, so dass er sich verstärkt strategischen Themen widmen kann. Wobei im Bereich der strategischen Planung ebenfalls entsprechende Assistenzsysteme zur Verfügung stehen.
Nachfolgend sind einige Beispiel aufgeführt.
1.) Supplier Relationship Management (SRM) – elektronisches Lieferantenportal
Mit einem elektronischen Lieferantenportal wird der Einkauf über zahlreiche Funktionen in seiner täglichen Arbeit unterstützt. Es wird mit dem ERP-System vernetzt und kann Lieferanten anbinden, so dass ein medienbruchfreier Informationsaustausch mit den Lieferanten erfolgen kann. Das Lieferantenportal ermöglicht einen „360-Grad-Blick“ über die aktuelle Situation bzw. Beziehung mit den Lieferanten und bietet somit eine hohe Transparenz hinsichtlich der verschiedensten einkaufsrelevanten Informationen. Einkaufsprozesse lassen sich digital, mit Hilfe von Workflowbasierten Prozessen, abbilden. Elektronische Lieferantenportale sind in der Regel modular aufgebaut. Die einzelnen Module können wahlweise genutzt werden. Sie können bspw. in den Bereichen Lieferantenmanagement, Supply Chain Management, Einkaufscontrolling, Qualitätsmanagement, Strategische Lieferantensuche, E-Procurement, Projekt Management, Datenintegration unterstützen.
2.) Einkaufscontrolling – Spend-Analyse-Systeme (Ausgabenanalyse)
Spend-Analyse-Systeme unterstützen im Einkaufscontrolling und im Strategischen Einkauf. Sie helfen bei der Ermittlung von Einsparpotentialen. Hierbei kommen „Methoden der KI“, „Text-Mining“ und „Clusteranalyse“ zum Einsatz. Es können Einkaufskennzahlen ermittelt und automatisierte Standardanalysen durchgeführt werden. Somit können Strategie- bzw. Effizienz-Initiativen geplant, gemessen und zielgerichtet gesteuert werden.
3.) E-Procurement – Anbindung und Nutzung von elektronischen Lieferantenkatalogen
Über E-Procurement-Systeme können elektronische Lieferantenkataloge und Marktplätze an ein ERP-System digital angebunden werden. Insbesondere im indirekten Einkauf (indirekte Materialien) erleichtern sie den Bestellprozess durch den digitalen und medienbruchfreien Zugriff auf Lieferantenkataloge. Sie ermöglichen die digitale Abbildung von standardisierten Bestellprozessen mit Hilfe von Workflowbasierten Prozessen und Freigabeprozeduren.
Vertrieb 4.0
Ähnlich wie in anderen „4.0-Bereichen“, wird unter dem Begriff „Vertrieb 4.0“, die verstärkte Anwendung von modernen Methoden und Technologien aus dem Bereich der Digitalisierung im Bereich Vertrieb verstanden.
Im Rahmen der Digitalisierung stehen dem Vertrieb zahlreiche neue Möglichkeiten im Bereich der Neuprodukteinführung, Kundenkommunikation und Vermarktung zur Verfügung. Sie können für ganz neue „Kundenerlebnisse“ sorgen. Mit ihnen lassen sich Kundenanforderungen und -bedürfnisse besser evaluieren. Dadurch kann der Vertrieb stärker „kundenzentriert“ ausgerichtet werden.
Nachfolgend sind einige Beispiel aufgeführt.
1.) Neuprodukteinführung
Mit Hilfe moderner Visualisierungstechnologien kann die Vertriebsabteilung einfacher und aktiver in die Produktentwicklung mit einbezogen werden. Neue Produkte können in einer sehr frühen Phase als entsprechende visuelle Modelle (dem Vertrieb aber auch dem potenziellen Kunden) präsentiert werden. Die Modelle können bspw. auch in einem frühen Stadium der Neuproduktentwicklung mitunter bereits für die Planung und Durchführung von Marketingaktionen für das zukünftige Produkt verwendet werden. Mit Hilfe von visuellen Animationen eines zukünftigen Produktes können bereits erste Kundenkontakte bzw. Werbebotschaften generiert werden. Das gibt dem potenziellen Kunden die Möglichkeit auf eine einfache und verständliche Weise das Produkt zu verstehen und ggf. Änderungs- oder Verbesserungsvorschläge einfließen zu lassen, und das in einem sehr frühen Entwicklungsstadium. Ebenso können seitens der Entwicklungsabteilung etwaige Produktvarianten und -optionen einfacher kommuniziert werden. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit einer intensiveren Kommunikation mit den potenziellen Kunden und einer verstärkten Einbindung der Kunden in den Produktentwicklungsprozess. Somit lassen sich Produkte schneller und marktgerechter (kundengerechter) entwickeln.
2.) Vermarktung vorhandener Produkte
Mit Hilfe von „virtuellen“ Produktpräsentationen bzw. Ortsbegehungen können dem potenziellen Kunden sehr klare Vorstellungen hinsichtlich der Produkteigenschaften vermittelt werden. Durch die Präsentation bzw. Verwendung von 3-dimensionalen Bildern bzw. Modellen die aus verschiedenen Perspektiven „angeschaut“ und "bewegt" werden können, bzw. von kompletten (Erlebnis-)Videos, können ganz neue Kundenerlebnisse generiert werden. Durch die Ortsunabhängigkeit von „Präsentierendem“ und “Beobachter“ lassen sich Reisekosten aber auch Zeit sparen. Es können auf einfache Art und Weise viele Personen eingebunden werden. Durch die Möglichkeit die Inhalte (Präsentationen/Videos) als "On-Demand" einzustellen (d.h. der potenzielle Betrachter ruft sie dann ab, wenn er Zeit dafür hat), kann eine hohe Flexibilität und eine Erhöhung der Reichweite von entsprechenden Werbebotschaften erzielt werden.
3.) Moderne Customer Relationship Systeme (CRM)
Moderne Customer Relationship Systeme (CRM) integrieren Soziale Medien und können somit viele Daten hinsichtlich Kunden- und Kaufverhalten sammeln. Diese können genutzt werden, um mit Hilfe von Methoden der KI, Vorhersagen über das Kundenverhalten zu erstellen („Data Mining“, „Predictive Analytics“). Durch die Verfügbarkeit von umfangreichen Kundendaten, kann die Strategie der "Kundenzentriertheit" verfolgt werden (der Kunde steht im Mittelpunkt aller Aktionen). Analysen und Modelle können erstellt werden, um den Kunden auf seiner „Customer Journey“ besser begleiten, bzw. proaktiv geeignete Kontaktpunkte generieren zu können, damit der Kunde effizienter erreicht werden kann. Durch die Verknüpfung möglichst vieler Kundendaten kann ein klareres Kundenprofil erstellt werden. Vorhersagemodelle über Kundenverhalten und saisonalen Nachfrageschwankungen können die Absatzplanung (Disposition, Lagerhaltung, Produktion) unterstützen und optimieren.
Bei Fragen zu den Themen können Sie mich gerne unverbindlich kontaktieren. Auch weitere Anregungen bzw. Erfahrungsaustausche zu den Themen sind gerne willkommen.
Der Titel des nächsten Beitrags lautet:
„Digital Factory, Digital Supply Chain“