Industrie 4.0 – Agile Produktionsplanung, Manufacturing Execution System (MES)
25.02.2020 - Norbert Schenk
Agile Produktionsplanung:
Man kann heutzutage davon ausgehen, dass die meisten Unternehmen mittlerweile ERP-Systeme für die Produktionsplanung im Einsatz haben. Dabei kommt als Standard-Planungsverfahren bei den meisten Systemen eine sogenannte "Sukzessiv Planung" zum Einsatz, bei welcher die einzelnen Fertigungs- bzw. Planungsstufen vom System bzw. dem hinterlegten Planungsalgorithmus "sukzessiv" also „nacheinander“ geplant bzw. berechnet werden.
Diese Vorgehensweise führt aber leider nicht zu optimalen Ergebnissen, da bestimmte Fakten, Daten, Alternativ-Szenarien, Parameter etc. für die Planung unberücksichtigt bleiben. Häufig lässt die eingesetzte IT-Architektur (bspw. aus Performance-Gründen) keine komplexeren Algorithmen zu. Je komplexer das Produktionsprogramm, die Fertigungsstufen und Verflechtungen zwischen den verschiedenen Produktionsstandorten und Lieferanten innerhalb des Wertschöpfungsnetz-werkes sind, desto höher ist dabei die Gefahr, dass die Planung zu ungenau wird und der Überblick über den aktuellen Produktionsstand verloren geht.
Abhilfe können hier Planungssysteme leisten, die mit komplexeren Planungsalgorithmen arbeiten. Derartige Systeme arbeiten mit mathematischen Methoden und Modellen aus dem Bereich des „Operation Research (OR)“, die es erlauben, eine „Simultanplanung“ über die verschiedenen Fertigungs- bzw. Planungsstufen hinweg durchzuführen. D.h. alle Fertigungs- bzw. Planungsstufen werden „simultan“ also „gleichzeitig“ geplant. Die Systeme ermöglichen es, verschiedenste Szenarien auf Basis von Echtzeit-Simulationen interaktiv am System durchführen zu können, um den idealen Auftrags- bzw. Produktionsmix für die jeweiligen Rahmenbedingungen (bspw. Tagesplanung/Feinplanung) ermitteln zu können.
Man spricht bei einer Planung in diesem Stil auch von einer „agilen Produktionsplanung“, da man auf Störungen sehr schnell und dynamisch (agil) reagieren kann und durch die Echtzeit-Simulationsfähigkeit schnell alternative Produktionspläne erstellen und umsetzen kann.
Die Stärke dieses Ansatzes liegt klar auf der Hand. Eine derartig „optimale“ Produktionsplanung sorgt für „Ruhe“ und „Sicherheit“ in der Produktion - „Sonderschichten“ und „Sonderbeschaffungsaktionen“ können deutlich reduziert werden.
Systeme dieser Art sind zwar bereits schon seit längerem auf dem Markt, waren jedoch auf Grund der Kosten bzw. der IT-technischen Anforderungen, tendenziell bisher nur für große Unternehmen interessant. Sie können in der Regel als Zusatzsystem („Add-On“) an die ERP-Systeme angebunden werden. Durch die Möglichkeiten der Entwicklung und Bereitstellung neuer IT-Architekturen (bspw. „Cloudsysteme“) und Lizenzmodelle (bspw. „SaaS“) im Rahmen der Digitalisierung, könnten solche Planungssystem bzw. -module zukünftig nun auch verstärkt für kleinere Unternehmen interessant werden.
Manufacturing Execution System (MES):
lm deutschsprachigen Raum hat sich ein IT-Sektor etabliert, der unter dem Sammelbegriff „Manufacturing Execution System (MES)“ beschrieben wird. Die Entstehung des MES-Marktes reicht zurück bis in die 1990er-Jahre, seither haben sich etliche Anbieter etabliert. Ziel war und ist es, Unternehmen eine möglichst lückenlose Betriebsdatenerfassung (BDE) einzurichten und so eine schnellere und effizientere Produktion zu ermöglichen (Feinplanung bzw. Shop-Floor-Management).
Typischerweise unterstützt ein MES in folgenden Bereichen der Feinplanung bzw. des Shop-Floor-Management:
Wie die Liste zeigt, bietet ein MES viele Möglichkeiten und Funktionalitäten, um die Produktionsplanung bzw. das Produktionsmanagement zu optimieren. Leider stehen diese Anwendungen bzw. Module in der Regel immer nur innerhalb des jeweiligen MES zur Verfügung. D.h. Produktionsdatenerfassung und die darauf basierenden Anwendungen bestehen aus einem „monolithischen System“.
Im Rahmen der Digitalisierung und der Philosophie der durchgängigen Nutzung von Daten über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg, ist dieser Ansatz nicht mehr zeitgemäß bzw. ausreichend. Entsprechend entwickeln sich aktuell die Systeme verstärkt in Richtung „offener Systeme“ mit offenen Schnittstellen zu anderen Systemen. Sie bieten eine lose Kopplung von modularen Erfassungssystemen und Anwendungen, um so die Optimierungspotenziale im Rahmen einer digital vernetzten Produktion voll ausschöpfen zu können. In diesem Kontext bezeichnen einige Hersteller ihr MES mittlerweile auch als IIoT-Plattform, da es in der neuen Konstellation (offene IT-Architektur) die Funktionalität einer IIoT-Plattform übernehmen kann. D.h., es kann als echtzeitfähiges System bzw. Plattform, die vertikale und horizontale IT-Vernetzung eines Unternehmens abbilden.
Bei Fragen zu den Themen können Sie mich gerne unverbindlich kontaktieren. Auch weitere Anregungen bzw. Erfahrungsaustausche zu den Themen sind gerne willkommen.
Der Titel des nächsten Beitrags lautet:
„Logistik 4.0, Einkauf 4.0, Vertrieb 4.0“