Industrie 4.0 – Digitaler Zwilling, Scanning-Technologien
11.02.2020 - Norbert Schenk
Der Begriff „digitaler Zwilling“ wird im Zusammenhang mit unterschiedlichen Themenbereichen verwendet. Hierzu zählen bspw. Bereiche wie die computergestützte Produktentwicklung und Konstruktion, Fabrikplanung, Produktlebenszyklus, Visualisierungstechnologien sowie Vertrieb und Marketing. Je nach Themenbereich verfolgt der Einsatz eines digitalen Zwillings unterschiedliche Zielsetzungen. In diesem Beitrag soll (kurz) erläutert werden, was ein digitaler Zwilling ist und welche Ansätze zu potenziellen Anwendungsbereichen es aktuell (bzw. zukünftig) gibt.
Ein digitaler Zwilling ist eine „digitale Kopie“ eines realen Objekts oder eines Objekts, das zwar noch nicht real existiert, sich aber bereits in der „digitalen Konstruktionsphase“ befindet (bspw. CAD- bzw. CAE-3D-Modell). Die Objekte können hierbei Produkte darstellen, aber auch alle möglichen andere Arten von Gegenständen.
Digitale Zwillinge werden unter anderem generiert, um sie als (Modell-)Basis im Rahmen von digitalen Visualisierungstechnologien (Simulationen, Virtual Reality, Augmented Reality, Mixed Reality) verwenden zu können. Damit können bspw. Planungen in der „virtuellen“ (d.h. digitalen) Welt, durchgeführt werden, ohne die realen Objekte selbst zu benutzen, bzw. diese überhaupt in der Realität (bereits) verfügbar haben zu müssen. Dadurch lassen sich umfangreiche Planungsszenarien mit entsprechenden (Computer-)Modellen simulieren. Das können bspw. Planungen im Bereich der Fabrik-, Fertigungseinrichtungs-, Gebäude- und Anlagenplanung sein, aber auch Bauplanungen im Bereich der Bauindustrie (Stichwort „Building Information Modelling“ - BIM) und des Handwerks. Über die verschiedenen Visualisierungstechnologien können die Objekte mit Hilfe der digitalen Zwillinge sehr realitätsnah dargestellt werden. Sie helfen somit den Betrachtern, „schnelle Erkenntnisse“ über verschiedenste Fragestellungen im Zusammenhang mit den jeweiligen Objekten zu gewinnen. Dies können bspw. „Überblicke“ über das Zusammenwirken von Fertigungssystemen sein, der „Eindruck“ von Produkt- bzw. Projektentwicklungsstufen oder auch der „Eindruck“ von zu erwerbenden Produkten (bspw. virtuelle Präsentationen bzw. Begehungen etc.).
Eine weitere Funktionalität, welche mit einem digitalen Zwilling abgebildet werden kann, ist die Hinterlegung von Produkteigenschaften und -merkmalen eines Produktes in dessen „digitalem Modell“, sowie die Möglichkeit weitere Daten im Laufe des Produktentstehungsprozess bzw. im Rahmen des Produkteinsatzes im Feld, zu sammeln und im digitalen Zwilling zu speichern. In diesem Zusammenhang könnten bspw. die jeweiligen Herstellungsdaten und Eigenschaften (Funktionen etc.) auf einem Speichermedium abgespeichert werden, welches das Produkt auf seinem kompletten Lebenszyklus begleitet. Über dieses Speicher- bzw. Datenerfassungsmedium können im Laufe des Produktlebenszyklus weitere Daten über das Produkt aufgezeichnet werden, um dem Hersteller bzw. dem Anwender hilfreiche Informationen über die Verwendung des Produktes zu liefern, die für die weitere Produktentwicklung interessant sein könnten. Ebenso könnten diese Daten im Rahmen des „Predictive Maintenance“ wichtige Informationen liefern. So könnten bspw. die technische Belastungssituation bzw. Verschleißsituation von Bauteilen interessant sein, um vorherzusehen wann sie ggf. ausgetauscht werden sollten. All diese Daten wären im digitalen Zwilling hinterlegt und in Echtzeit abrufbar. D.h. es wäre in jeder Phase des Produktlebenszyklus eine „aktuelle“ digitale Kopie des jeweiligen Produktes, einschließlich sämtlicher Daten zu dessen bisherigem „Werdegangs“, im IT-System (bspw. über eine IIoT-Plattform) verfügbar. Eine derartige Anwendung würde natürlich viele neue Potenziale eröffnen, wie bspw. im Bereich der Produktentwicklung und -optimierung.
Die Erstellung von digitalen Zwillingen von bereits in der Realität verfügbaren Objekten, erfolgt über sogenannte „Scanning-Technologien“, für welche es entsprechende Scanner-Systeme und Software auf dem Markt gibt. Mit diesen Systemen werden die entsprechenden Objekte digital erfasst. Bei dieser Technologie werden die Objekte mit einem für das Auge ungefährlichen Laserstrahl mit einem Scanner abgetastet, und mit einer „Punktewolke“ aus einzelnen Bildpunkten als digitales Abbild des Objekts erfasst, welches als digitales Modell im IT-System abgespeichert wird. Hierbei können je nach Bedarf, nur einzelne Teile gescannt werden, aber auch komplette Produkte oder auch ganze Gebäude (innen und außen) bzw. große Anlagen. Je nach Aufgabenstellung gibt es die unterschiedlichen Systeme und auch Dienstleister, welche das Scannen übernehmen können. Grundsätzlich kann das Scannen der Objekte mit den entsprechend geeigneten Systemen auch in Eigenregie durchgeführt werden.
Im Bereich der technischen Produktentwicklung werden Scanner auch dazu benutzt, um bspw. handgefertigte Prototypen, für welche es noch keine digitalen Zeichnungen gibt, in ein digitales CAD-3D-Modell umzuwandeln. Damit kann ggf. der Aufwand für das Erstellen eines entsprechenden 3D-Modells mit dem CAD-System reduziert werden. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von „Reverse Engineering“.
Bei Fragen zu den Themen können Sie mich gerne unverbindlich kontaktieren. Auch weitere Anregungen bzw. Erfahrungsaustausche zu den Themen sind gerne willkommen.
Der Titel des nächsten Beitrags lautet:
"Industrie 4.0 – Intelligente Assistenzsysteme, Track and Trace Systeme“