Beitrag Nr. 15


Industrie 4.0 – Visualisierungstechnologien

04.02.2020 - Norbert Schenk

 

Die Anwendungsmöglichkeiten der Daten- bzw. Modell- und Produktvisualisierung durch die verschiedenen Visualisierungstechnologien, haben in den letzten Jahren stetig zugenommen. Häufig werden diese auch in Kombination mit entsprechenden Simulationstechnologien genutzt. Die Basis hierfür sind moderne IT-Architekturen, die große Datenmengen in Echtzeit verarbeiten können.

 

Im Bereich der Produktentwicklung (CAE) finden sich Systeme, die über „Finite Elemente Berechnung“ (FMEA) und andere bekannte Methoden, bspw. Belastungszustände von Bauteilen am Bildschirm dreidimensional graphisch darstellen können. Die Teile können hierbei aus den verschiedensten Perspektiven angezeigt werden. Die graphischen Modelle basieren auf den 3D-Modellen aus dem CAD- bzw. CAE-System. Man kann zeichnerische (technische) Änderungen an den graphischen Modellen vornehmen und sich die Auswirkung dieser Veränderung auf den Zustand bzw. das Verhalten des Teiles in einer entsprechenden Simulation anzeigen lassen (bspw. über „digitales Whiteboard“). Somit ist es in einer sehr frühen Produktentwicklungsphase bereits möglich, verschiedenste technische Konstellationen und Varianten zu prüfen, ohne dass man entsprechende Musterteile in der Realität anfertigen muss. Insbesondere bei großen und komplexen Teilen bzw. Produkten und Anlagen ist dies natürlich ein immenser Vorteil.

 

Weitere Anwendungen finden sich in der graphischen Simulation der Bewegung von Maschinen- bzw. Anlagensystemen. So kann bspw. über die Simulation von Bewegungsabläufen erkannt werden, ob es zu Kollisionen zu anderen Systemen kommen kann (bspw. bei Handling-Systeme oder der Erkennung von Störkannten bei Maschinenbearbeitungsprogrammen).

 

Ebenso können komplette Fabrik-Layouts abgebildet werden, um zu testen, wie eine ideale Anordnung der Produktionssysteme aussehen könnte, ohne auch nur eine einzige Maschine in der Realität für die Planung zur Verfügung zu haben. Weiterhin können bspw. Montage-Arbeitsplätze geplant und die ergonomische Ausgestaltung des Arbeitsplatzes simuliert werden.

 

Visualisierungen dieser Art wurden in der Vergangenheit in der Regel über PC-Bildschirme bzw. Monitore dargestellt. Heutzutage gibt es jedoch weitere Visualisierungs-Medien, mit denen solche Visualisierungen darstellt werden können.

 

Aus dem Bereich der "PC-Gaming-Industrie" kommen verstärkt Softwareprograme auf den Markt, mit denen man die Visualisierungen in einer „virtuellen Umgebung“ anschauen kann. Man spricht in diesem Zusammenhang von „Virtual Reality (VR)“. Durch den Einsatz von entsprechenden Datenbrillen, läßt sich damit ein sehr realitätsnahes „Erlebnis“ der Visualisierung darstellen. Man kann sich beispielsweise durch virtuelle Räume bewegen und die entsprechenden Darstellungen der technischen Modelle in einer gemeinsamen virtuellen Konferenz anschauen und gemeinsam diskutieren. Hierbei ist es möglich, dass die Betrachter bzw. Teilnehmer von verschiedenen Orten auf dieser Welt an einer solchen Konferenz bzw. Begehung teilnehmen können. Der Zugang erfolgt über das Internet und einem Internetbrowser.

 

Eine weitere Visualisierungstechnologie ist die „Holographie“. Hier werden mit Hilfe der entsprechenden Software und einer speziellen holographischen Datenbrille, die zu visualisierenden Objekt als Hologramme im Raum vor dem Betrachter eingeblendet. Man kann mit den Objekten in Kontakt treten in dem man die Hologramme "anfasst" und „bewegt“. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von „Mixed Reality“, da die virtuelle Realität (das Datenobjekt) mit der realen Welt (der realen aktuellen Umgebung) verschmilzt.

 

Der dritte Vertreter dieser neuen Visualisierungs-Medien ist die Technologie „Augmented Reality“. Hier werden mit Hilfe der speziellen Software und der entsprechenden Datenbrille unterstützende Informationen im Blickbereich des Betrachters über die Datenbrille eingeblendet. D.h. die reale Welt (Umgebung) wird mit zusätzlichen Objekten wie Bildern oder auch Text überlagert und soll so dem Betrachter Hilfestellung (Unterstützung) bzw. weiter Informationen über die betrachteten realen Objekte bzw. Räume zur Verfügung stellen.

 

Ein weiterer Vertreter der Visualisierungstechnologien ist die „360°-Kameratechnologie“. Bei dieser Technologie wird mit einer 360°-Videokamera eine reale Umgebung in einem "360°-Rundumblick" aufgenommen. Hierbei kann die Kamera mit der Person, welche die Aufnahme macht, zusammen bewegt werden. D.h. man kann bspw. eigene Aktionen, die man selbst durchführt (bspw. Sportaktionen, Outdoor-Erlebnisse, Begehungen von Räumen etc.) aus der Sicht des "Betrachters" bzw. des "Durchführenden" aufzeichnen, indem man die Kamera mit sich führt (bspw. Installation auf dem "Helm"). Den generierten Videofilm kann man später mit entsprechenden Softwareprogrammen nachbearbeiten (wie bei Fotos) und einem breiteren Publikum zeigen. Beim Zeigen der Filme entsteht ein 3-dimensionaler Eindruck, bei dem man das Gefühl hat, dass man in dem Geschehen, bzw. Teil des Geschehens ist. In diesem Zusammenhang können 3D/VR-Datenbrillen genutzt werden, um den Eindruck entsprechend noch realitätsnäher zu machen. Man kann diese Technologie mit anderen Visualisierungs-technologien verbinden. So lassen sich Beispielsweise in die Filme zusätzliche digitale Informationen einbauen, wie z.B. Hinweise zu gezeigten Szenen und Gegenstände. Man kann entsprechende „Pins“ (Schilder) setzen bei denen sich beim Anklicken die entsprechenden Informationen öffnen. Das können weitere Bilder, Filme, Textinformationen, 3D-Animationen, 3D-Modelle, VR-Technologien etc. sein. Mit Hilfe dieser Technologie lassen sich virtuelle Begehungen von Räumlichkeiten oder Umgebungen durchführen. Der Betrachter kann sich über entsprechende Steuerungsmöglichkeiten mit der Software wahlweise in verschiedene Szenen bewegen. In der Regel ist die Technologie Cloud-basiert, so dass sie mit jedem Internetbrowser von jedem Ort mit Internetanschluss genutzt werden kann. Es gibt Firmen, die Software anbieten, mit welcher man die entsprechenden Videos und Animationen selbst erstellen kann. Aber auch Firmen, die Plattformen anbieten, auf denen man die entsprechende Software-Werkzeuge nutzen kann und die erstellten Videos für eine breites Publikum veröffentlichen kann.

 

Die zukünftig denkbare Einsatzfelder dieser Technologien sind breit gefächert. Nachfolgend sind einige Beispiele aufgeführt:

  • Durchführung von Schulungen an virtuellen Modellen, Objekten und in virtuellen Räumen. Beispielsweise "Einarbeitung/Fahrschule" an komplexen Anlagen/Maschinen (VR einschl. Bewegungssimulation mit entsprechendem "Fahrersystem/Sitz“).
  • Unterstützung bei der technischen Wartung oder auch Reparatur von Maschinen und Anlagen (insbesondere, wenn der Einsatz weit entfernt ist). Unterstützung durch einen Assistenten aus dem Stammhaus möglich, da dieser auch die gleiche Szene sieht, wie die Person vor Ort.
  • Besprechungen im Rahmen der Produktentwicklung anhand entsprechender Visualisierungen von CAD-Modellen zwischen verschiedenen Technikabteilungen, aber auch mit potenziellen Kunden, wobei die Teilnehmer von unterschiedlichen Orten aus teilnehmen können.
  • Planung von komplexen Anlagen (Anlagenbau), Fertigungslinien, Fabriken. Visualisierung der Anlagen mit Simulation von Bewegungsabläufen und Testen von etwaigen Störkanten bzw. negativen Konstellationen im Gesamtbewegungsablauf bzw. Arbeitsplatz-Ergonomie. Möglichkeit zur virtuellen Begehung der Anlagen unter realitätsnahen Bedingungen ohne dass die Anlage in der Realität besteht.
  • Planung von neuen Gebäuden (aber auch visuelle Dokumentation von Bestandsgebäuden) und Inneneinrichtungen bspw. in der Gebäudetechnik, Bauindustrie, Facility Management und im Rahmen der Einrichtungsplanung (Büros etc.). Klärung von Fragen wie beispielsweise: Wie werden geplanten Räumlichkeiten aussehen? Wie werden diese von den potenziell zukünftigen Nutzern „wahrgenommen“? Wo befinden sich die technischen Einrichtungen und Fluchtwege? Ist die Planung der Fluchtwege stimmig? Ergeben sich Störkanten oder negative Konstellation bei der Planung von komplexen Gebäudeinstallations-Systemen?
  • Unterstützung bei Arbeits- und Montageprozessen. D.h. Visualisierung von Arbeits- und Montaganweisungen, Prüfplänen etc.
  • Visuelle Unterstützung bei der Kommissionierung und Verpackung von Waren und Einzelteilen im Bereich der Logistik.
  • Virtual Engineering, d.h. visuelle Unterstützung bei der Entwicklung neuer Produkte
  • Digitale Fabrik, d.h. Visualisierung der Produktionsabläufe und dem aktuellen „Zustand“ der Fabrik.
  • Schulungen über virtuelle Konferenzen bzw. Räume. An den Schulungen können die Teilnehmer von verschiedenen Orten der Welt aus teilnehmen.
  • Virtuelle Prototypen, d.h. Entwicklung von Prototypen auf Basis von CAD-3D-Modelen, die dem Kunden visuell als virtuelle Prototypen zur Verfügung gestellt werden können.
  • Ablauf- und Prozesssimulationen, d.h. Visualisierung und Simulation von Arbeits- und Montageprozessen.

Bei Fragen zu den Themen können Sie mich gerne unverbindlich kontaktieren. Auch weitere Anregungen bzw. Erfahrungsaustausche zu den Themen sind gerne willkommen.

 

 Der Titel des nächsten Beitrags lautet:

 

"Industrie 4.0 – Digitaler Zwilling, Scanning-Technologien“