Beitrag Nr. 13


Industrie 4.0 – Industrial Internet of Things (IIoT), IIoT-Plattformstrategie, Retrofit, Gateway, Edge-Computing

 21.01.2020 - Norbert Schenk

 

Die Potenziale im Bereich „Industrie 4.0“ bzw. der "industriellen Digitalisierung" liegen zum einen in der Entwicklung von „smarten“ Produkten und Services, und damit zur Entwicklung neuer Geschäftspotenziale. Zum anderen aber auch in der Anwendung von bereits verfügbaren neuen modernen digitalen Werkzeugen, mit denen die Wertschöpfungskette (direkt oder indirekt) optimiert werden kann. Die konsequente Anwendung der verfügbaren Möglichkeiten kann zu erheblichen Effizienzsteigerungen in der Wertschöpfungskette führen.

 

Um die entsprechenden Möglichkeiten bzw. Potenziale im Bereich „Industrie 4.0“ umsetzen zu können, wurde auf Basis der „IoT-Plattformstrategie“ bzw. -idee, der Begriff des sogenannten „Industrial Internet of Things (IIoT)“ geprägt. Hierbei handelt es sich um eine „IoT-Plattformstrategie“, die sich auf Anwendungen im industriellen Bereich spezialisiert hat.

 

Über eine IIoT-Plattform sollen alle "Objekte" bzw. „Cyber-Physischen-Systeme“, wie Maschinen, Anlagen, Arbeitsplätze, Sensoren etc. an die Plattform angebunden werden, damit die Objekte miteinander kommunizieren, und deren Daten für weitere Auswertungen und Verarbeitungen zur Verfügung stehen können. Die Plattform stellt verschiedenste Dienste bzw. Software-Anwendungen ("Apps") zur Verfügung. Diese können entweder vom Plattformanbieter selbst kommen, oder von Partnerfirmen, die ihre entsprechenden „Apps“ auf der Plattform zur Verfügung stellen. Die Plattform bzw. die Anwendungen können auf Basis verschiedener Lizenzmodelle genutzt werden. Weiterhin können über die Plattform bereits vorhandene Fremdsysteme wie bspw. ERP-System etc. über offenen Schnittstellen angebunden werden.

 

Ziel dieser Plattform-Philosophie ist es einerseits, eine möglichst lückenlose Transparenz über den Zustand der Fabrik und deren Arbeitsabläufe zu bekommen, um auf Fehler schnell reagieren zu können, und andererseits die Arbeitsabläufe proaktiv zu optimieren um möglichst schlanke, sichere und effiziente Produktionsabläufe zu generieren. Hierbei wird versucht, dass die zu Grunde liegenden Daten möglichst bereichsübergreifend und medienbruchfrei in allen beteiligten IT-Systemen verwendet werden können. D.h. insbesondere auch, dass einmal eingegebene bzw. generierte Daten nicht nochmals erfasst werden müssen.

 

Intelligente Auswerte- und Überwachungssysteme sollen wichtige Unternehmenskennzahlen generieren und übersichtlich mit Hilfe von modernen Visualisierungsmethoden (bspw. „Dashbord“) darstellen, damit auf deren Basis der Zustand der Fabrik bzw. des Unternehmens in Produktionstechnischer Hinsicht, aber auch hinsichtlich betriebswirtschaftlicher Kennzahlen, zu jeder Zeit (d.h. in Echtzeit) erkannt werden kann.

 

Für die IT-technische Anbindung der "Objekte" bzw. „Cyper-Physischen-Systeme“ an die IIoT-Plattform, müssen die verschiedensten Datenübertragungsprotokolle bzw. Datenstrukturen der zu übertragenden Daten berücksichtigt werden. Hierbei kommen spezielle sogenannte "Gateway-Technologien" („IoT-Gateway“) zum Einsatz. Sie stellen sicher, dass die Daten auf der Plattform in einem kompatiblen bzw. strukturierten Zustand ankommen. D.h. die Daten werden in eine „einheitliche Sprache übersetzt“. Das „IoT-Gateway“ wird dabei als Hardware-Gerät oder Softwareprogramm betrachtet, das als Verbindungspunkt zwischen IIoT-Plattform (bzw. Cloud) und Controllern, Sensoren und intelligenten Geräten dient. Alle Daten, die in die auf die IIoT-Plattform oder umgekehrt gelangen, werden über ein Gateway übertragen.

 

Prinzipiell ist die Datenkonvertierung in kompatible Formate auch auf der IIoT-Plattform an sich möglich, aber das benötigt dann auf der Plattform entsprechend mehr Performance. Besser ist es, wenn die Daten bereits in einem strukturierten und kompatiblen Format ankommen, damit die weitere Datenverarbeitung mit weniger Aufwand erfolgen kann.

 

Am effizientesten ist es, wenn die Daten möglichst „am Ort der Entstehung“, also bei dem jeweiligen "Objekt" selbst bereits möglichst gut vor bearbeitet und strukturiert werden, sodass die nachfolgende Datenübertragung und Weiterverarbeitung möglichst einfach und effizient durchgeführt werden kann. In diesem Zusammenhang hat sich das Konzept des sogenannten „Edge Computing“ entwickelt. „Edge Computing“ bezeichnet die „dezentrale Datenverarbeitung“ am Rand des Netzwerks, der sogenannten „Edge“. Hierbei werden Computer-Anwendungen, Daten und Dienste von zentralen Knoten (Rechenzentren) weg, zu den äußeren Rändern eines Netzwerks verlagert, mit dem Ziel, Datenströme ressourcenschonend zumindest teilweise an Ort und Stelle zu verarbeiten, aber trotzdem von den Vorteilen der Cloud zu profitieren.

 

Um die Daten über die IIoT-Plattform zur Verfügung stellen zu können, müssen die Datenerfassung und Datensammlung sowie der eigentliche Datenfluss entsprechend organisiert sein. Neuere "Objekte" (Maschinen, Anlagen etc.) sind in der Regel bereits „IP-fähig“, d.h. für die Übertragung der Daten über Internet ausgestattet. Sie besitzen von Haus aus „IoT-Module“, welche die erforderlichen Daten (mit Sensoren erfasste Daten, Messwerte etc.), digitalisieren, verschlüsseln und bspw. über Funk an ein „Gateway“ übertragen, das via Internet mit einer zentralen (Cloud-)IIoT-Plattform verbunden ist. Ältere "Objekte" (Maschinen, Anlagen etc.), die noch nicht über diese Fähigkeit verfügen, müssen mit entsprechenden Komponenten zunächst nachgerüstet werden. Dieses Nachrüsten wird als sogenanntes „Retrofit“ bezeichnet.

 

„Retrofit“ bedeutet nichts anderes, als das bereits im Betrieb befindliche Maschinen nachträglich mit „IoT-Funktionen“ versehen werden. Nachrüstsätze halten hierfür Sensoren parat, die sich mit „IoT-Modulen“ verbinden lassen. Installiert erheben diese Module bzw. „Sensorboxen“ eine Vielzahl an Daten. Etwa Temperatur, Feuchtigkeit, Helligkeit, Vibration, Lautstärke (Schall), Bewegung oder Beschleunigung. Neben Sensorik-Werten lassen sich aber auch Kontakte und Relais ansteuern, die nicht von vornherein über entsprechende Schnittstellen (Aktorik) verfügen. Darüber hinaus gibt es beispielsweise Module, die Anzeigen von analogen Energiezählern digitalisieren und diese für die nachfolgende Verarbeitung speichern. Auf dem Markt gibt es entsprechende Anbieter, die „Retrofit“ von älteren Maschinen und Anlagen anbieten. Die Kosten für die Nachrüstung sind in der Regel "erschwinglich" und sollten keinen Hinderungsgrund darstellen die Digitalisierung voranzutreiben.

 

Zum Übertragen der Daten können verschiedene Systeme bzw. Netzwerke zum Einsatz kommen. Bei der Auswahl der Datenübertragungstechnologie sollte darauf geachtet werden, welche Sicherheitskonzepte es gegen den unberechtigten Zugriff von außen gibt (Hackerangriffe etc.).

 

Bildlich dargestellt, kann man sich die IT-Architektur im Zusammenhang mit der Anwendung einer „IIoT-Plattformstrategie“ als ein „vertikales Schichtenmodell“ vorstellen, dessen einzelne Schichten vertikal miteinander vernetzt sind.

 

Hierbei entspricht die unterste (erste) Schicht, der Schicht der zu vernetzenden „Objekte“ oder auch „Cyber-Physischen-Systeme“ (auf Shop-Floor- bzw. Werkstatt-Ebene). Die darüberliegende zweite Schicht entspricht der Übertragung der Daten von der ersten Schicht auf die dritte Schicht über entsprechende Übertragungstechnologien (Gateway). Die dritte Schicht entspricht der IIoT-Plattform an sich, auf welcher in der vierten Schicht die verschiedensten Anwendungen („Apps“) aufgesetzt sind, sowie die Verbindung zum Kern-ERP-System hergestellt wird. In technischer Hinsicht spricht man hierbei von einer „vertikalen Vernetzung des Unternehmens“ über die verschiedenen Schichten („Shop-Floor zu Top-Floor Integration“),

 

Weiterhin kann man sich bildlich vorstellen, dass dem vertikalen Schichtenmodell auf horizontaler Ebene, eine Ebene überlagert wird, welche die einzelnen Unternehmensbereiche wie Vertrieb, Produktion, Logistik, Einkauf etc. darstellt, die ebenfalls miteinander vernetzt sind. In technischer Hinsicht spricht man hierbei von einer „horizontalen Vernetzung des Unternehmens“ über die Unternehmensbereiche hinweg.

 

Das Ziel der „IIoT-Plattformstrategie“ ist es, über die „vertikale und horizontale Vernetzung des Unternehmens“, einen durchgehenden (medienbruchfreien) und kontinuierlichen Datenaustausch über alle vertikalen Schichten und alle horizontalen Schichten (Unternehmensbereiche) in Echtzeit zu gewährleisten und somit eine vollständige Transparenz über die Abläufe im Unternehmen zu erreichen und diese auch proaktiv steuern zu können. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer „Smart Factory“ bzw. „Digital Factory“.

 

Bei Fragen zu den Themen können Sie mich gerne unverbindlich kontaktieren. Auch weitere Anregungen bzw. Erfahrungsaustausche zu den Themen sind gerne willkommen.

 

 Der Titel des nächsten Beitrags lautet:

 

Industrie 4.0 – Predictive Maintenance, Process Modeling“